ein Stichwort geben, anstiften, etwas bei jemandem anstoßen, eine Ansage machen, auf die eine Reaktion erfolgen sollte –gefälligst, aber dalli, schließlich habe ich nicht den ganzen Tag Zeit!
Manchmal ist es hilfreich, Ausdrücke in einem anderen Zusammenhang zu betrachten. Jemand gibt (etwas) an. Karin gibt ihrem Mann, der auf der Leiter steht, den Farbeimer an – hat er mal wieder vergessen, der Depp, dass der zuerst nach oben muss, braucht er am Ende wieder sie, damit er nicht nochmal runter muss! – und erwartet selbstverständlich im Gegenzug eine Reaktion. Eine hochachtungsvolle, wenn möglich, immerhin ist sie ja diejenige ohne die alles nur halb so gut läuft.
Den Ton angeben. Die Richtung angeben. Die Richtung vorgeben, Achtung! Bitte anerkennen! Karin gibt an!
Und ihr tut gut daran, das zu goutieren, weil Karin weiß, was für euch gut ist, weil jeder weiß, was Karin für eine Gute ist, das ist zertifiziert, andere haben das schon weit vor euch erkannt. Karin reicht euch den Eimer, ach scheiß auf den Eimer, Karin gibt an.
Doch da Karin so eine Taktvolle ist, reicht sie euch das Vergessene mit einer hauchfeinen Verbeugung, einer winzigen Zurücknahme ihres Daseins, so als entschuldige sie sich für ihr Bessersein bei euch, den Nichtsoaufgeweckten, die ihr nun eurerseits mit einem deutlich sichtbareren Kotau zu antworten aufgefordert seid: nicht doch! Ehre, wem Ehre gebühret! Eimer, wo Eimer, wo einer hingehört.
Das körperliche Gemengelage im farblich ideal zur Haarfarbe passenden Pullover aus Vollacryl.
Strumpfhosen, deren Schrittnaht irgendwie nie richtig sitzt.
Das Gefühl, sich aus einer aussichtslosen Situation durch die falsche Übersprungshandlung gerettet zu haben.
Verdeckt agierende Zahnwurzelschmerzen, die den Alltag noch nicht beeinträchtigen.
Konspirative Anerkennung.
Lob von zu vielen.
Wer sich beschwert, macht sich erst einmal schwer. Er will nicht mehr leicht sein, nicht mehr in seinem Wollen überhört und übersehen werden, er will jetzt Masse sein, Gegenüber, Barriere im Weg eines anderen. Er beschwert sich.
Vorher hat er es sanft versucht: "Bitte, lassen Sie ihren Hund nicht immer in meinen Vorgarten ka... . Ich trete dann da rein, wenn ich die Blumen gieße. Dann muss ich, bevor ich ins Haus zurückgehe, erst mühsam die Sohlen reinigen, aber ich bin alt und steif und es tut auch etwas weh."
Das hat weniger als nichts genützt.
Der Übeltäterhalter hat sich von der Demut des Opferwilligen zu weiteren und diesmal eigenem Misstun angestachelt gefühlt und sich, nachdem sein Hund fertig war, zweimal in voller Länge im Tulpenbeet niedergelassen - ihm war auch nicht klar, warum er solch eine Freude daran hatte.
Da ist der Garteneigner drinnen im Wohnzimmer ausgerastet und hat eine Vase gegen die Wand geworfen, so hat das Treiben sein Gemüt beschwert.
Das Wort kannte ich gar nicht, aber erkannte es sofort, als ich es am Fuß einer Treppe las. "Bitte Sicherheitsanweisungen beachten! Bitte stets den Handlauf benutzen!"
Ein nicht mehr gebräuchliches Wort. Man sagt "Geländer" - und jeder weiß, dass es dahinter in den Abgrund geht.
Jedoch "Handlauf": da läuft die Hand noch eine Weile mit, während man seinem Tagesgeschäft nachgeht. Begleitet einen ein Stück; sehr freundlich, sehr leicht, sehr beflissen, aber auch irgendwie ganz für sich.
Oben bzw. unten angekommen, verabschiedet man sich nicht groß, sondern jeder zieht seines Weges, bis man sich bei nächster Gelegenheit wiedertrifft.
Eines meiner Lieblingswörter, weil es uns die Wahrheit im Wort selbst, zur Verfügung stellt. Von seiner Liebsten, seinem Liebsten beispielsweise, kann nämlich nur enttäuscht sein, wer sich zuvor hat (willentlich) täuschen lassen, unter wohlweißlicher Aussparung des analytischen Bewusstseins, das uns ja sooft bei den schönsten Dingen dazwischenfunkt.
Kann man nicht gebrauchen, wenn man grad >>>affiziert ist, schon evolutionstechnisch nicht. Die Menschheit wäre längst ausgestorben, regierte beim Kennenlernen der scharfe Verstand.
"Ich bin ja sowas von enttäuscht von dir!" ist also im Grunde eine im falschen Tonfall an die falsche Adresse gerichtete Selbsterkenntnis - die uns erfreuen sollte.